Was ist ein Smart Home? [Interview]

Was ist ein Smart Home?

Auf diese anscheinend einfache Frage gibt es viele verschiedene Antworten, abhängig davon, wen man fragt. Durch die großen Unternehmen, die auf den Smart Home Hype aufspringen, begleitet vom offensiven Push-Marketing und der rasanten Entwicklung der Branche ist es sogar noch schwerer zu definieren, was ein Smart Home momentan wirklich auszeichnet.

Um trotzdem eine Antwort zu finden, haben wir uns mit Sebastian von Kohlenklau.de zusammengesetzt und definiert, was das Smart Home heute bedeutet und wohin es sich morgen entwickelt.

Sebastian ist ein Technikenthusiast, der all die kreative Arbeit auf dem Kohlenklau Blog managt und durchführt. Er hat bereits eine Vielzahl von Geräten, Software und Zubehör getestet - die meisten von ihnen für Smart Home-Eigentümer. 1Home erforschte in den letzten drei Jahren intensiv Smart Homes und richtet stets ein Auge auf die neuesten smarten technischen Entwicklungen.

Urban ist CPO bei 1Home und damit verantwortlich für die Entwicklung des Produktes, welches derzeit die Smart Home-Technologie mit formt.

Das Ziel dieser Diskussion ist der Gedankenaustausch von Branchenvordenkern wie Urban (1Home)  und engagierten Usern wie Sebastian (Kohlenklau), um zu definieren, worum es beim Smart Home wirklich geht.


Was halten die Menschen heutzutage für ein Smart Home?

U: Ich denke, die Leute verstehen noch nicht ganz, was ein Smart Home wirklich bedeutet. Das kommt natürlich daher, dass es sich dabei immer noch um eine Neuheit handelt und der Markt noch nicht angenommen wurde. Allerdings hilft es auch nicht, dass Marketingspezialisten auf den Hype aufspringen und fast jedes Produkt in diese Kategorie stecken, das mit einer mobilen App oder Sprachsteuerung bedient werden kann. Meiner Meinung nach haben wir bisher bloß Smart Devices gesehen und noch kein richtiges Smart Home. Der Markt ist hochgradig fragmentiert, nicht nur in Hinsicht auf Gerätetypen und -hersteller, sondern auch bei Kommunikationsprotokollen, die für gewöhnlich nicht miteinander kompatibel sind.

S: Das Thema Smart Home steckt noch in den Kinderschuhen. Es stehen uns so viel mehr Möglichkeiten zur Verfügung, als momentan von der Masse der Smart Home-Eigentümer genutzt wird. Ich glaube das Problem ist oft der Mangel an Kompatibilität zwischen den verschiedenen Haushaltsgeräten. Sie können nicht miteinander kommunizieren. Natürlich können viele Bastler das mit dem Raspberry Pi oder dem ESP32 überbrücken, aber die Mehrheit kann das eben noch nicht. Die allgemeine Wahrnehmung des Smart Homes besteht einzig in der Kontrolle und Automatisierung von Licht und Heizung, wo die Geräte für gewöhnlich die gleiche Sprache sprechen.

Wie sieht die Branche der Smart Homes heute aus?

U: Es gibt zahlreiche verschiedene Kommunikationsprotokolle und Hubs, um diese miteinander zu verbinden, aber das Internet der Dinge dominiert aufgrund der einfachen Anwendungs- und Installationsmöglichkeit. Die Silicon Valley Giganten gewinnen momentan eindeutig das Rennen – allerdings denke ich, wir sind immer noch weit vom Endziel entfernt, das wir uns vom smarten Einfamilienhaus wünschen. Mit ihrer bezahlbaren Preispolitik konnten sie schnell den Markt durchdringen, allerdings sehen wir noch niemanden selbst hunderte von Geräten installieren und warten. Wir müssen uns bewusst machen, dass die Lebenserwartung von Konsumgütern aus dem IdD fragwürdig und die kabellose Kommunikation noch nicht an dem Punkt ist, wo man erwarten kann, dass sie immer funktioniert. Die Situation ist anders in Europa, wo KNX und andere proprietäre Protokolle (wie Loxone) extrem beliebte, fest verkabelte Standards sind, die Smart Homes als eine Infrastruktur sehen. Das bedeutet langfristige Zuverlässigkeit, Datensicherung und Zentralsteuerung, auch wenn die User Experience noch drastisch hinterherhinkt und die Home-Eigentümer auf professionelle Hilfe angewiesen sind. Zigbee, Z-wave und RF schaffen es, einen Marktanteil vom IdD auf bestimmten Gebieten abzuzweigen – obwohl sie sich in den meisten Fällen nicht als stabiler herausstellen als die W-Lan-Kommunikation.

S: Wie bereits erwähnt gibt es keinen richtig gut entwickelten offenen Standard, den jeder Hersteller bereit wäre zu nutzen. Stattdessen ist jeder damit beschäftigt, seinen eigenen Standard auszubauen, so dass wir im Moment alle abhängig sind von einer großen Spannbreite an Interfaces und einem stabilen Mittel als Kommunikationsplattform für alle Geräte. Zum Beispiel MQTT.

Momentan gibt es kein Device, das allen Geräten ermöglicht, in einer vernünftigen und stabilen Weise miteinander zu kommunizieren.

MQTT protocol (Message Queuing Telemetry Transport)

Was ist für euch ein richtiges Smart Home?

U: Ein richtiges Smart Home bedeutet, dass alle meine Geräte zu Hause durch ein übergeordnetes Interface verbunden, verwaltet und gesteuert werden. Und damit meine ich hunderte Geräte, die die gleiche Sprache sprechen. Ich denke, was die Leute wirklich in ihre Köpfe bekommen müssen, ist, dass ein Smart Home eine Infrastruktur ist – keine technische Spielerei – aber gleichzeitig Technik in die zentralisierte Erfahrung eingebunden werden sollte.

Lasst uns einen Blick darauf werfen, was die moderne Gesellschaft als normale Lebenserwartung und Zuverlässigkeit verschiedener Gerätetypen empfindet. Die Menschen erwarten, dass ihre Jalousien, Lampen, Heizungs- und Lüftungssysteme über 20 Jahre halten und sie wollen sich auf diese verlassen können. Auf der anderen Seite werden Waschmaschinen, Geschirrspüler, Kühlschränke und Kochvorrichtungen als eine Investition auf ca. 10 Jahre gesehen. Am Ende des Spektrums haben wir Fernseher, Spielekonsolen, Tablets und Staubsauger, die für gewöhnlich alle 5 Jahre ausgewechselt werden – und die Menschen wissen, dass diese sich nicht immer zuverlässig mit dem W-Lan verbinden. Diese unterschiedlichen Gerätegruppen nutzen momentan verschiedene Kommunikationsprotokolle, daher mangelt es ihnen an Interkonnektivität. Wenn man diese Elemente aber verbindet und mit einem einfach zu nutzenden Interface kombiniert (ähnlich zum Apple HomeKit) – nun, das nenne ich dann ein echtes Smart Home.

S: Ich stimme Urbans Beschreibung absolut zu. Für mich ist das Hauptmerkmal die Stabilität und Beständigkeit. Loxone ist sehr stabil – solange es nicht notwendig ist, andere Server wie einen Raspberry Pi einzubeziehen, um eine Bedienoberfläche für Nicht-Loxone Geräte zu schaffen.

Wie gelangen wir von hier zum ultimativen Smart Home?

U: Nun, wenn wir uns anschauen, was wir gerade erörtert haben, ist es gar nicht so schwer, konkrete Schritte zu definieren. Die Kernbasis des Zuhauses muss stabil, zuverlässig und erschwinglich werden. Das Interkonnektivitätsproblem zwischen verschiedenen Kommunikationsprotokollen muss zuerst gelöst und dann in eine nutzerfreundliche Erfahrung transformiert werden, die eine durchschnittliche Person verstehen und nutzen kann. Der letzte Teil ist schwer umsetzbar, denn ein Ökosystem von über 100 Geräten zu managen ist immer noch eine ziemlich komplexe Aufgabe. Die Apple HomeKit Automatisierungs- und Visualisierungsapp kommt dem schon ziemlich nahe, aber der Rest hängt sehr davon ab, wie gut sich der Markt entwickelt. Es ist möglich, dass wir ein paar misslungene Smart Home-Projekte überdauern müssen, um das zu erreichen, was wir brauchen. Und das ist okay. :)

S: Ich stelle mir vor, dass es das EINE Standard-Kommunikationsprotokoll geben muss, das den Geräten ermöglicht, auf einfache Weise miteinander zu kommunizieren – auf Hardware- ebenso wie auf Softwareebene. Der zentrale Server muss zuverlässig die verbundenen Geräte erkennen und sie leicht verwalten können.

Solange die Systeme von so vielen Faktoren abhängen (W-Lan, langsame Verbindungen, Wände, mehr als ein Server …) wird es Probleme geben.


Wir kommen also zu dem Schluss, dass ein Smart Home kein zersplittertes Gerätekonglomerat ist, bei dem diese kaum miteinander kommunizieren.

Im Gegenteil: Es ist ein zentralisiertes Interface, das alle Geräte im Haus bündelt und diese von einem Device aus bedienen lässt. Stabilität, Interkonnektivität und Einfachheit werden die Schlüsselfaktoren sein, durch die das Smart Home von einer Nischen-Spielerei zu einem Mainstream Must-have wird.

Und was bedeutet das Smart Home für Sie?